Tanz des Monats April 2022:
Ballett-Quadrille
Der Tanz des Monats ist eine Quadrille, wenn auch eine eher besondere, die Ballett-Quadrille. Ich habe sie ausgewählt, weil Vivien eine von zwei überlieferten Melodien dazu in diesem Monat als Tune des Monats ausgesucht hat. Sie hat auch eine schön eingespielte Tanzmusik zu dieser Quadrille, die man gerne für die hier notierte Tanzbeschreibung nehmen kann. Die Noten dazu sind auch in der Abteilung Tune des Monats zu finden.
Quadrillen sind Vierpaartänze, die seit Beginn des 19. Jahrhunderts sehr populär sind in Europa und Amerika. Die bekannteste Aufstellung sind vier Paare im Kreuz, bzw. auf den Seiten eines Quadrates, aber es gibt auch relativ selten Quadrillen in zwei Reihen gegenüber. Die Reihenaufstellung in Gassen kam als erstes aus England hinüber auf den Kontinent im 18. Jahrhundert und wurde Contredance Anglaise (englischer Kontratanz) genannt. Die Quadrille in Kreuzaufstellung entwickelte sich etwas später in Frankreich und gelangte mit Napoleon in zahlreiche Regionen Europas unter dem Namen Contradance Francaise (französischer Kontratanz).
Heute sind Quadrillen im Volkstanz noch besonders populär im Norden Deutschlands, während in Bayern und Baden-Württemberg diese kaum anzutreffen sind. Somit ist auch die hiermit vorgestellte Quadrille eine aus dem Norden Deutschlands, aus der Lüneburger Heide. Dort hat ein Tanzmusiker mit Namen Voß die Beschreibung mit zwei Melodien überliefert. Eine davon ist als Tanzmelodie des Monats von Vivien ausgesucht worden und die zweite Melodie hat 1918 die Volkstanzsammlerin Anna Helms für die Ballett-Quadrille in ihrem Buch „Bunte Tänzen Nr. 2“ beschrieben. Schon vor 1908 begann sie mit ihrem späteren Mann Julius Blasche Erkundungstouren per Bahn oder Fahrrad durch die Lüneburger Heide zu machen, um deutsche Volkstänze zu sammeln und so entdeckte sie auch die Ballett-Quadrille:
„… aber da saß ein freundlicher älterer Spielmann und blies die Klarinette. … In seinem Haus war seine Frau unsere Tanzmeisterin, ihre erwachsenen Kinder und Nachbarn halfen. Sie alle tanzten mit in der kleinen gemütlichen Stube zu den lustigen Weisen, die der Vater auf der Klarinette spielte. Die Burmesters zählten etwa 60 Jahre … Noten brauchten sie nicht. So saß ich nur immer und zeichnete die Weisen nach seiner Klarinette auf. … Wir fanden dort folgende Tänze: Drehdam, Leier-Tanz, Ballett-Quadrille, Hand-Quadrille …“
Derartigen eher zufälligen Begegnungen verdanken wir die Aufzeichnungen unserer traditionellen Tänze und natürlich dem Forschergeist und Enthusiasmus von Menschen wie Anna Helms und Julius Blasche zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Es war gerade noch rechtzeitig, um zumindest einige der traditionellen Tänze noch von den alten Gewährsleuten geschildert zu bekommen. Bei der Aufzeichnung der Tänze ergibt sich ein kleines Problem bei den Tempi der Tänze, die die Gewährsleute in jungen Jahren wahrscheinlich schneller getanzt und gespielt hätten. Somit weiß man nicht genau, ob das relativ langsame und behäbige der norddeutschen Tänze etwas mit der norddeutschen Mentalität zu tun hat oder aber mit dem Alter der Übermittler.
Der Name „Ballett-Quadrille“ entstand wahrscheinlich durch das Tanzelement des Paarsolos, einer Art Pas de deux wie im Ballett, das jedes Paar bei jedem Durchgang durch die Gasse tanzt. Diese Quadrille ist mit ihrer Reihenaufstellung eine der seltenen Exemplare dieser Aufstellungsart und von daher schon interessant. Eine Musik von den Helms-Noten gibt es leider noch nicht und auch kein Video, aber man kann gerne die zweite überlieferte Melodie zur Ballett-Quadrille von der Klangrausch-Quadrillen-Band nehmen, um dazu zu tanzen. Die Ballett-Quadrille gehört zu den sog. Bunten Tänzen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie verschiedene Touren haben. Das sind Tanzfiguren, die wechseln, und meistens im 1. Teil des Tanzes zu tanzen sind, während der Rest des Tanzes wie eine Art Chorus immer gleich bleibt.
Viel Spaß mit dem Tanz des Monats wünscht Hinrich Langeloh