Seit nunmehr zwei Jahrzehnten ist der kleinstmusikalische Zusammenschluss pubertierender Schulfreunde zur Band Nobody Knows gereift. Mit ihrer aktuellen Tour „Optische Enttäuschung – Fortsetzung folkt“ beweisen die selbsternannten Unbekannten, dass der Anspruch, Altersreife ermögliche Ironie und Eigenkarikatur, sowohl untergraben als auch behauptet werden kann.
15 Alben, mehr als 50 Veröffentlichungen und etwa 1.700 Auftritte im In- und Ausland liegen hinter den Musikern von Nobody Knows. Trotz mehrerer Erstplatzierungen beim Deutschen Rock- und Pop-Preis ist die Band einfach nicht erwachsen zu kriegen. Stattdessen diffundiert ihre genreübergreifende Folk-Polka-Mischung zwischen ironischen Selbstbezichtigungen, gesellschaftskritischen Inhalten und anti-puristischer Schubladenlosigkeit – neben überwiegend eigenen Kompositionen und Dichtungen melden sich auch Tucholsky, Busch, Heine, Goethe, Mozart und Beethoven zu Ton. Zwischen deutscher Folklore, Country, Polka und irischer Musik gibt sich das Teilzeitquartett ungehemmter Spiel- und Bewegungsfreude hin, auf Gitarre, Geige, Mandoline, Bouzouki, Schlagzeug, Banjo und Kontrabass. Und weil Routine der Todfeind jeder Impulsivität ist, bleibt kein Stück wie beim vorherigen Auftritt. Denn mit ihren zunehmend aufkommenden Improvisations-Rap-Anteilen beweisen Nobody Knows: Wer nicht kommt, ist nicht dabei. Und was sich reimt, ist gut. Also rauf auf die Bühne und mitgetanzt.
Was ist euch als Band wichtig?
Max Heckel: Unser künstlerisches Selbstverständnis nenne ich „konzeptionelle Konzeptionslosigkeit“. Oder „postmoderne bundesrepublikanische Folklore mit nordwesteuropäischer Note und ostokzidentaler Rhythmik“. Beides steht für eines: Keine Selbstkasteiung durch ein statisches Selbstverständnis. Denn auf der Bühne gilt wie überall, dass Dynamik zur Erfüllung führt.
Was fasziniert dich an traditioneller Musik? Als durchschnittlich begabter Hörer führe ich mir Musik zu Gemüte, die mich in erster Instanz ästhetisch affiziert – und hernach intellektuell. Will sagen: Berührt mich Musik nicht emotional, ist die technische Raffinesse wenig gewinnbringend. Wäre ich gescheiter, würde ich vielleicht mehr Jazz hören. Oder Zwölftonmusik. Bin ich aber nicht. Traditionelle Musik ist wohl zur Tradition geworden, weil sie seit eh und je Menschen emotional erreicht.
Wie geht ihr beim Arrangieren vor? Mit einer Mischung aus Intuition und Reflektion. Erlaubt ist, was gefällt – und was nicht gefällt. Daher sind erste Impulse zumeist nicht die schlechtesten. Dass man „Der Mond ist aufgegangen“ aufgrund seines letzten Verses nicht ernst nehmen kann, führte mich indes zu einem karikierenden Umgang.
Was wünscht du dir für die (Deutsch-)Folkszene? Weniger Purismus. Aber das gilt grundsätzlich für alle anderen Genres. Gremien und Juroren, die die ewig gleichen ausgelatschten Pfade nicht mit Macht und dem Dünkel des „richtigen Verständnisses“ bewerten. Eine Öffnung der deutschen Folklore für die Genres Rap, Comedy und andere. Einen Verjüngungsprozess der Gestalter der Szene. Insgesamt: Offenheit.
Lieblingsstück
„Interpretation ist die Rache des Intellekts“ – Rezeption und Interpretation von Liedern wie Der Mond ist aufgegangen können permanent in traditionellen Gestaden diffundieren oder aber etwas Eigenes entwerfen und damit sein. Dass ein derart grandioses Gedicht auf den Vers „Und unsern kranken Nachbar auch!“ endet, d.h. sein Finale selbstverhunzend gestaltet, zwingt den wachen Ästheten und Textberücksichtiger, sich dem Stück nicht im volksliedshaften, immergleichen Modus des artigen Abendliedes anzunähern. Wir sind, was wir sind. Alles andere als beliebig.