Liedempfehlung im September:
Ein Spielmann ist aus Franken kommen
Das Lied übern den Musikanten, der vorm Himmelstor steht und fürchten muss, in die Hölle zu kommen, gehört zu den eher seltenen Balladen mit Happyend. Entstanden ist das Lied vermutlich in der Jugendbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Empfohlen wird es von Gabi Martin. In den 70er und 80er Jahren gehörte sie in Ostberlin erst zur Folkband Jack & Genossen , später zu Windbeutel.
(Autor: Wolfgang Leyn)
In der DDR-Folkszene hat meines Wissens nur Gabi Martin dieses Lied gesungen. Die Rundfunkaufnahme mit Windbeutel wurde 1988 auf der -Langspielplatte „Was wollen wir auf den Abend tun“ veröffentlicht, einem Sampler mit Liedern von acht Bands.
Warum ich das Lied empfehlen würde, damit es nicht verloren ginge? – Weil es sie heute noch gibt: die alten, grantigen Weiber und Mannsleut, die möchten, dass sich alles nach ihren festgelegten und engen Vorstellungen richtet, und alles, was ihnen andersartig erscheint, empört zum Teufel wünschen. Der Spielmann als ein Freigeist, setzt dem, lustig und ungebunden, die pure, kindhafte Lust am Leben entgegen, einfach durch seine Art, die Welt zu durchschreiten. Vermutlich hat der Verfasser des Liedes sich durch seine Verse sehnsuchtsvoll von äußeren Zwängen frei geschrieben – und uns Nachgeborenen einen möglichen Weg gewiesen. Wir, als die Musikanten, sind folglich seine ersten Adressaten.
Gabi Martin
Ein Spielmann ist aus Franken kommen,
den hat der Tod beim Schopf genommen.
Sankt Peter eilt‘ zur Himmelstür
und schob den Eisenriegel für.
St. Peter fragt die alten Weib‘:
„Was soll geschehn mit seinem Leib?“
„Es soll, es muss mit ihm geschehen,
er mag zum Ti-Ta-Teufel gehen!“.
Rosen im Tal, Mädel im Saal,
schönste Rosemarei.
Die alten Mannsleut‘ huben an:
„Er hat uns nie ein Gut’s getan.
Er weihte nie ein heilig Licht
und sprach kein Vaterunser nicht!“.
Der Spielmann tat ein‘ langen Schritt:
„Mein‘ Fiedel, spielt katholisch nit!
Mein‘ Fiedel sang auf ihre Weis‘,
den ganzen Tag ihr Kyrieleis.“
Rosen im Tal, Mädel im Saal,
schönste Rosemarei.
Die Mädchen sprachen: „Heil’ger Geist!
Er wusste nit, was Lieben heißt.
Er küsste uns und ließ uns stehn
Es durfte keine mit ihm gehn!“.
Der Spielmann tat ein Schluchzerlein:
„Die schönste Maid, sie narrte mein!
Ohn‘ Herzen kann man doch nicht lieben,
meins ist bei ihr, bei ihr geblieben!“
Rosen im Tal, Mädel im Saal,
schönste Rosemarei.
Da kamen tausend Kinderlein:
„Sankt Peter, lass den Spielmann ein!
Er fiedelt‘ uns manch Rosenband,
der Spielmann ist uns wohlbekannt!“.
Da sprach der Herr: „Ihm sei verziehn,
Die Kindlein ha’n Gefall’n an ihm!
Sankt Peter, hurtig aufgetan –
die Kinder woll’n ein Tänzlein ha’n!“.
Rosen im Tal, Mädel im Saal,
schönste Rosemarei.
LIEDGESCHICHTE
Wer das Lied verfasst hat, ist unbekannt. Über eine Aufführung Anfang 1917 in Danzig berichtete die Zeitschrift „Der Gitarrefreund“. Die Sängerin und Lautenspielerin Liselotte Berner habe dort, von ihrem Ehemann auf der Viola d’amour begleitet, „ein Lied aus Franken“ gesungen, „Der Spielmann vor der Himmelstür“. Das dürfte unser Lied sein.
Wann entstand das Lied?
Als Herkunftsangabe liest man häufig „Volkslied aus Franken, 18. Jahrhundert“. Das scheint jedoch wenig glaubwürdig. In Franz Wilhelm von Ditfurths Sammlung „Fränkische Volkslieder“ von 1855 mit immerhin 400 weltlichen Liedern steht es jedenfalls nicht. Die Arbeitsgemeinschaft Fränkische Volksmusik versah es 1984 in der Broschüre „Lieder aus Franken“ mit dem Vermerk „Aus Franken, um 1900“. Das kommt von der zeitlichen Einordnung her der Wahrheit wohl näher. Tom Kannmacher, der das Lied selber singt, schrieb dazu: „Mir scheint es nicht ursprünglich traditionell zu sein, eher eine gelungene Wandervogeldichtung“. Das Deutsche Volksliedarchiv, pardon, das Zentrum für „Zentrum für Populäre Kultur und Musik“ in Freiburg, konnte auch nicht mit Informationen dienen.
Wer hat es gesungen?
Zum ersten Mal tauchte der „Spielmann an der Himmelstür“ Anfang der 1920er Jahren in Liederbüchern von Sport- und Wandervereinen auf, in Liedsammlungen der Handwerksgesellen, der Naturfreunde, des Deutschen Sängerbundes oder der katholischen Jugend. Wandervögel verbreiteten es auf hektographierten Liedblättern. Das spräche für die Herkunft aus der Jugendbewegung.
Tom Kannmacher fand es im „Volksliederbuch für höhere Lehranstalten und Mittelschulen von Klasse 4 an aufwärts“, erschienen 1932. Voneinander abweichende Textvarianten zeigen, dass es sich offensichtlich herumgesungen hat. Ende der 1950er Jahre wurde es in der Altmark aus mündlicher Überlieferung aufgezeichnet. Die Namensform „Marei“ statt „Marie“ im Refrain von frühen Liedfassungen deutet jedoch auf eine Herkunft aus dem oberdeutschen Raum, wie auch „nit“ statt „nicht“. Das muss aber nicht zwingend Franken sein.
Franken oder vielleicht Wien?
In manchen Quellen heißt das Lied „Der Fahrende vor der Himmelstür“. Unter diesem Titel führte es am 1. Juni 1930 der Gesang- und Musikverein Lilienfeld in Niederösterreich auf. Als Komponist wurde dabei Alfons Blümel genannt. Blümel (1884-1943) war ein renommierter Wiener Pianist und Liedkomponist. Er widmete sich der Kammermusik ebenso wie den Wienerliedern, für die er zuweilen auch Texte schrieb. Seine Vertonungen der Dafnis-Lieder nach Arno Holz machten Blümel 1917 im gesamten deutschsprachigen Raum bekannt. Ob er der Autor unseres Liedes ist oder nur die Klavierfassung schrieb, die auch im Wiener Konzerthaus aufgeführt wurde, muss an dieser Stelle offenbleiben.
Aber ob die Ballade nun aus Franken kommt oder aus Wien oder wer weiß woher – sie ist es wert, wieder gesungen zu werden. Das finden Gabi Martin, Tom Kannmacher und der Autor dieser Zeil